Tatsächlich bin ich beim Auswandern fast nur bis zum Zoll gekommen! Keine halbe Stunde vom Abfahrtsort entfernt. Am Freitagabend, um fünf Minuten vor fünf, stand ich da und wollte meine Papiere abstempeln. Auf der Schweizer Seite kein Problem. Wunderbar, denke ich, kurz rüber zur deutschen Zollstelle und weiter geht’s. Bis der Zollbeamte meinte: «Wo ist denn ihr T1 Formular?»
Ähh, was, bitte? Aber lass mich von vorne beginnen.
Vom Loslassen
Was, zur Hölle, nehme ich bloss mit? Worauf kann ich auf unbestimmte Zeit verzichten? Was soll ich verkaufen oder entsorgen?
In Schottland sind die meisten Wohnungen möbliert, was mir sehr entgegenkommt. Ein Umzug kostet locker über CHF 10'000 und das hätte mein Budget mehr als gesprengt. Also habe ich mich wochenlang mit den oben genannten Fragen beschäftigt. Wenn man nicht weiss, wie lange man weggeht und wie es am neuen Ort aussieht, ist das gar nicht so einfach.
Es hat sich angefühlt, als würde ich am Laufmeter wahllos Entscheidungen ins Blaue hinaus treffen. Den Wäscheständer nehme ich mal mit, ebenso meinen kleinen Dyson Heizstrahler. Meine Louboutins hingegen bleiben in der Schweiz. Mein langes Sommerkleid brauche ich wohl kaum, die dicke Winterjacke auf jeden Fall. Teller und Schüsseln lasse ich in der Schweiz, aber der Thermomix kommt nach Schottland. Kannst du dir vorstellen, das mit deinem ganzen Haushalt zu machen?
Immerhin war es ein reinigender Prozess, bei dem ich viel Ballast abgeworfen habe (obwohl ich sowieso immer gross im Entsorgen bin) und mein Loslass-Prozess bereits beginnen durfte. Die Achterbahn der Gefühle nahm Fahrt auf …
Das verdammte T1 Formular

Jedenfalls waren die Umzugsmänner irgendwann bestellt, der Einstellraum organisiert, die Fähre von Rotterdam nach Hull gebucht und ich hatte einen Stapel Dinge, die mitkommen sollten.
Meine lieben Freunde, meine Herzensfamilie, Marc und Maria, haben mich begleitet und alles in ihren VW Bus gepackt. Doch damit nicht genug, ich musste ja über den Zoll! Ja, wir kommen der Sache näher ;-)
Wie ich so bin, wenn’s ums Planen geht – organisiert und pedantisch – habe ich mich doppelt und dreifach abgesichert, welche Dokumente ich brauche. Unisono habe ich gehört: Eine Inventarliste reicht völlig aus. Die Schotten wollten sowieso nicht mehr sehen, weil ich als Vollzeitstudentin ins Land komme – die Liste hätte sogar handgeschrieben sein dürfen – und auch in der Schweiz und in Deutschland hat man mir versichert, dass dies alles ohne weitere Umstände über die Bühne ginge.
Tja, du erinnerst dich an den Zollbeamten und sein verdammtes T1 Formular? Ich auch! Und ich werde es wohl nie vergessen. «Na, dann darf ich bitte ein solches Formular bekommen?», frage ich blauäugig. Er schaut mich zweifelnd an und meint, dies müsse die Spedition ausstellen, aber er sei ehrlich, Freitagabend um diese Zeit seien meine Chancen dafür gering.
Ha! Wäre doch gelacht, wenn ich JETZT aufgebe. Niemals! Im Eiltempo sind Maria und ich zum Gebäude mit den Speditionsfirmen gehetzt: Mehrere verschlossene Türen, unhöfliche Abfuhr bis hin zu stinkfrechem: «Um diese Zeit mache ich das nicht mehr» haben wir alles gehört. Blut und Wasser habe ich geschwitzt! Um 22 Uhr hätten wir in Mannheim im Airbnb sein sollen und – noch viel wichtiger – am Samstagabend in Rotterdam auf der Fähre. Während der Sommerzeit ist die komplett ausgebucht, nix mit kurz mal umbuchen.
Was tut frau in dieser Situation? Ihre Waffen auspacken. Damsel in distress, flehentlich einen jungen, starken Mann um Hilfe bitten, weil total verzweifelt! Ungespielt! Und der junge, starke Mann hat sich für mich in den Kampf gestürzt! Die Falschinformationen, die ich bezüglich Formular erhalten hatte, fand er unverschämt, und hat sich wohl doppelt bemüht. Mit grossem Zeitaufwand und kreativer Lösungsfindung hat er es möglich gemacht und zwei Stunden später durften wir tatsächlich den Zoll passieren. DANKE noch einmal von Herzen, das werde ich dir nie vergessen!
Tief durchatmen, haben wir uns gesagt, und sind aufs Gaspedal getreten. Um kurz vor 22 Uhr sind wir müde, abgekämpft und trotzdem glücklich in Mannheim angekommen. «Morgen wird es entspannter», haben wir uns gesagt. Oh, wie haben wir uns getäuscht …
Aber davon mehr im nächsten Beitrag zum Auswandern.
Herzlichst, Nadine
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Herzlichst, Nadine
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Anitta und Urs (Montag, 25 Juli 2022 16:20)
Hätti üs ja verwunderet, wesech da kei jungä Maa aus häufendä Ritter hätti gfungä!!
Viu Glück wyterhin!
Muntsch Anitta� u Urs��
Nadine (Dienstag, 26 Juli 2022 08:34)
�� Danke, ihr 2 Liebe!! Müntschi zrugg, Nadine